Ausgangspunkt der Arbeit von Adrian Melis im Kunstlehrstuhl BBB ist das Bild der Schweiz. Seit seiner Einzelausstellung 2013 in der Kunsthalle Basel interessiert sich Melis für die Schweiz - das Land mit den idyllischen Landschaften und Bergwelten, dem Wohlstand und dem hohen Lebensstandard, dem sicheren Wirtschafts- und Sozialsystem, sowie seiner politischen Neutralität. Doch es gibt auch andere Seiten: Ausserhalb der Schweiz findet der Künstler immer wieder negative Schlagzeilen über die Schweiz.

Für das Projekt von Melis stehen das Finanz- und Bankensystem, aber auch andere Schweizer Grosskonzerne im Vordergrund. Dabei dienen ihm verschiedene Presseartikel aus dem In- und Ausland als Ausgangslage, Artikel, die sich mit Themen beschäftigen, wie Bankgeheimnis, Steuerbetrug, Korruption oder Waffenexporte. Davon ausgehend gilt Melis’ Interesse den Image-Kampagnen von Grosskonzernen, in denen sich diese mit einer spezifischen Bildsprache der breiten Bevölkerung präsentieren. Klischees, wie emotionale, ruhige Musik, warmes Licht, und glückliche Menschen gehören zu den wichtigsten Merkmalen.

Für den Kunstlehrstuhl BBB gründet Adrian Melis eine Scheinfirma, die so aufgebaut und strukturiert ist, als könnte sie wirklich existieren. Dabei wirft die Firma jene Fragen auf, die Melis interessieren: Was ist echt? Wie kann die Wahrnehmung der Kunden bzw. der Menschen beeinflusst werden? Wie funktioniert unsere, in diesem Sinne, kapitalistische Welt?

Unter dem Namen EMPTY PAGE – Protecting our own, setzt sich die Firma zum Ziel, Nachrichten, Bild- und Filmmaterial, das im Internet kursiert und auf die Schweiz ein negatives Licht wirft, aufzuspüren, zu filtern, und so zu bearbeiten, dass der gute Ruf der Schweiz erhalten bleibt. Im Kern ähnelt die Arbeitsweise von EMPTY PAGE einem Propaganda-Apparat, der gezielt Fakten verdreht, Meinungen manipuliert und die Realität nicht anerkennt.

Anfangs Dezember 2016 wurde an der BBB an einem Infostand auf die Firma aufmerksam gemacht. Fast 50 Lernende haben sich beworben, um einen Tag im Unternehmen arbeiten zu können.

Ende Januar 2017 wurde dann von Adrian Melis im Kunstlehrstuhl BBB für eine Woche das Büro von EMPTY PAGE eingerichtet, wo die angeworbenen Berufslernenden ihre Tätigkeit als Angestellte dieser Scheinfirma aufnahmen.

Heinz Gatschet, der selbst lange in der Finanzbranche tätig war, leitete während der Woche als CEO die Firma EMPTY PAGE. Jeden Tag erschienen verschiedene Berufslernende aus unterschiedlichen Berufsgattungen wie Polymechaniker, Coiffeusen oder Informatiker und erfüllten im Büro diverse Aufträge. Stets ging es darum, die gesammelten Negativ-Daten über die Schweiz zu bearbeiten. Dabei mussten sie in verschiedene Rollen schlüpfen und als Angestellte oder Manager tätig sein. In fiktiven Geschäftsleitungssitzungen spielte Gatschet mit den Berufslernenden die komplexen Rituale und Situationen, die in solch einer Firma Alltag sind, durch. Sie machten dabei Erfahrungen, die im Kontrast zu ihrem eigenen Arbeitsalltag stehen.

Adrian Melis filmte die Angestellten bei ihrer Arbeit und gab gezielte Anweisungen, um absurde Arbeitssituationen zu inszenieren. Das Büro wurde zur Bühne, Melis zum Regisseur und die „Angestellten“ zu Akteuren in der Scheinfirma. Dabei konnten die Jugendlichen neue Erfahrungen sammeln, Teil eines Systems zu sein und in diesem eine Rolle zu spielen.

Entstanden ist ein Image-Film für EMPTY PAGE-Protecting our own, der sich jener Ästhetik bedient, die auch von Grosskonzernen für Marketingzwecke genutzt wird. Inhaltlich weitgehend absurd hinterfragt der Film unser Bild von der Schweiz und die Glaubwürdigkeit von Image-Kampagnen von Grosskonzernen.

Mit dem Projekt „EMPTY PAGE – Protecting our own“ sind wir als „Funkenflieger 2017“ ausgezeichnet worden!

Funkenflug ist von «Kultur macht Schule» (Departement Bildung, Kultur und Sport, Kanton Aargau) initiiert und zeichnet herausragende Kunst- und Kulturprojekte an Schulen aus.

Impressionen von der Preisverleihung am 23. Juni 2017 im Kurtheater Baden.

EMPTY PAGE - Protecting our own wurde im Rahmen der Ausstellung "Absolute Silence does not exist" von Adrian Melis in Cerezales Foundatión in León, Spanien ausgestellt.